Karl-Heinz Jansen, erfolgreicher Unternehmer aus Fürstenfeldbruck

Hat Fürstenfeldbruck das Potential zum Technologie-Standort? Und was kann die Politik dazu beitragen? Darüber diskutiert Andreas Lohde mit dem Fürstenfeldbrucker Unternehmer Karl-Heinz Jansen, dessen Firma Sykam ehrgeizige Pläne verfolgt.

Herr Jansen, auf dem Dach Ihres Bürogebäudes sieht man Bienenhäuser stehen, darunter wachsen im Sommer Kräuter und Blumen. Recht ungewöhnlich für ein Gewerbegebiet wie die Hasenheide. Dabei lebt Ihr Unternehmen Sykam vor allem von der Chemie.

Karl-Heinz Jansen: Das stimmt. Wir analysieren Aminosäuren und sind inzwischen der weltgrößte Hersteller entsprechender Analysatoren. Aber unsere Gärten sind frei von jeglicher Chemie. Inzwischen haben wir hier mehr als 25.000 Wildbienen und 6 Honigbienen-Völker. Seit einigen Jahren produzieren wir sogar unseren eigenen Honig.

Andreas Lohde: Der köstlich ist, davon durfte ich mich schon überzeugen.

Jansen: Vor allem ist er echt. Honig zählt zu den meistgefälschten Lebensmitteln, wussten Sie das? Weil auch Honig zu unseren Analyse-Objekten zählt, können wir über die Zuckerzusammensetzung feststellen, ob er “verlängert“ wurde. Nicht selten ist er gepanscht.

In gewisser Weise sind also auch die Honigbienen Ihre Mitarbeiter.

Jansen: Ja, und nicht nur für den Honig. Wir entwickeln derzeit gemeinsam mit verschiedenen universitären Forschungseinrichtungen ein Umweltkataster mithilfe von Honigbienen. Denn anders als der Mensch, der nur stichprobenartig arbeiten kann, sind Bienen die perfekten Probensammler. Sie sammeln tagaus tagein Pollen und tragen ihn zurück zu uns. Das ermöglicht eine detailliertere Übersicht.

Lohde: Über was zum Beispiel?

Jansen: Mittels der Pollenanalyse lässt sich etwa feststellen, wie groß die Biodiversität in einem Gebiet ist.  Wir können auch bestimmen, welche Schadstoffbelastungen über Aerosole nieder gehen.

Lohde: Interessant. Mich freut das besonders, wenn Bruck ein Ort ist, an dem neue zukunftsträchtige Ideen entstehen.

Was kann und sollte aus Ihrer beider Sicht eine Kommune dazu beitragen, damit dies vermehrt geschieht?

Jansen: Was eine Kommune braucht, sind hochwertige Arbeitsplätze. Ohne die gibt es kein nennenswertes Kaufpotential in einer Kleinstadt, auf lange Sicht stirbt daran der Einzelhandel. Diese Entwicklung sehe ich auch in Bruck. Hier gab es einmal vier oder fünf Geschäfte für Oberbekleidung. Jetzt haben wir nur noch eines. Je geringer das Angebot, desto weniger gehen die Leute in die Innenstadt, umso geringer ist die Urbanität. Das ist eine Kettenreaktion.

Lohde: Ich sehe das ähnlich. Qualität geht vor Quantität, gerade, wenn wir von neuen Gewerbeansiedlungen sprechen. Unternehmen, die hochwertige Arbeitsplätze schaffen, sind für eine Kommune das, was der Nektar für die Bienen ist – um mal im Bild zu bleiben. Davon brauchen wir in mehr in unserem Landkreis. Ich vermisse in der Kommunalpolitik manchmal die langfristige Perspektive. Oft geht es nur darum, schnell einen Millionenbetrag an Gewerbesteuer zu sichern, indem man irgendeinen Acker als Gewerbefläche für einen Logistiger oder Hallenbetreiber ausweist. Das ist zu kurzsichtig.

Jansen: Langfristig bringen aus meiner Sicht nur Synergien etwas. Also die Ansiedelung von Firmen, die miteinander arbeiten, sich austauschen und gemeinsam entwickeln. Wenn wir in Fürstenfeldbruck Cluster hätten, könnten wir auch bei sozialen Themen wie Ausbildungs- oder Kindergartenplätzen kooperieren. Eine Kleinstadt sollte immer die Gesamtgesellschaft spiegeln – und nicht nur das Schlafzimmer einer Großstadt sein. Denn dann verliert sie an Attraktivität und ist nicht mehr zukunftsfähig.

Sehen Sie diese Gefahr für Fürstenfeldbruck?

Jansen: Nur dann, wenn wir den Anschluss an die Zukunft verpassen.

Lohde: Ich glaube, Bruck hat allen Grund, selbstbewusst zu sein. Aber wir dürfen nicht stillstehen. Viele Jahre hat man sich darauf ausgeruht, dass der Fliegerhorst jährlich rund 40 Millionen Euro (?) Umsatz generiert. Das war natürlich sehr komfortabel. Zu Hoch-Zeiten gab es dort 7000 Beschäftigte, darunter viel Gutverdiener. Da musste man sich nicht nach der Decke strecken. Jetzt merkt man: An uns rauschen die Züge vorbei. Wenn wir uns nicht neu definieren und eine neue Identität entwickeln, wird niemand auf uns warten.

Was könnte das für eine Identität sein?

Lohde: Ich glaube, dass wir mit dem Gelände des ehemaligen Fliegerhorsts eine ideale Basis haben, um uns langfristig als Technologie-Standort zu positionieren. Und ich setze dabei auch auf das Engagement der Firma Sykam, die hier neue Wege einschlagen will.

Können Sie das konkretisieren, Herr Jansen?

Jansen: Wir engagieren uns seit mehr als zehn Jahren im Bereich der Entwicklung und Produktion von Systemen zur Herstellung von sogenannten Radionukliden, die in der Krebsdiagnostik und -therapie, aber auch in der Kardiologie und Neurologie nicht mehr wegzudenken sind. Die minimal strahlenden Substanzen können Krebszellen im Körper sichtbar machen oder an diese andocken und sie zerstören. Für die medizinische Versorgung der Bevölkerung sind sie inzwischen essenziell. Wir wollen mit einem internationalen Konsortium auf dem Flugvorfeld des ehemaligen Fliegerhorstgeländes ein Zyklotron, also einen Teilchenbeschleuniger bauen, in dem diese Radionuklide für den therapeutischen Bereich hergestellt werden. Und dieses Projekt in einen medizinisch-pharmazeutischen Campus integrieren.

Ein ambitioniertes Projekt.

Jansen: Wir rechnen mit einem Investitionsvolumen im dreistelligen Millionenbereich für den ersten Bauabschnitt.  Dazu gibt es Absichtserklärungen von renommierten globalen Investoren. Um das Zyklotron könnten sich weitere Einrichtungen etwa aus der Biotechnologie ansiedeln. Forschung, Lehre und Therapie könnten an einem Standort verwirklicht werden.

Lohde: Ich halte das Biodrom für ein hochspannendes und extrem vielversprechendes Projekt. Es wäre ein Gewinn für unsere Stadt und den Landkreis, daran besteht kein Zweifel. Für ein Medizin-Campus von landes- wenn nicht sogar europaweiter Bedeutung würde ich mich mit aller Kraft einsetzen.

Wie man hört, waren auch Paris und Mailand als Standorte im Gespräch. Warum hat eine Kleinstadt wie Fürstenfeldbruck da überhaupt Chancen?

Lohde: Wir haben die Standortvorteile der Nähe zu den Universitäten in München und Augsburg und den dort bereits bestehenden biotechnologischen Clustern. In Sachen Nuklearmedizin ist München einer der europaweit renommiertesten Knotenpunkte. Brucks Anbindung an Autobahn, S-Bahn und zum Flughafen ist günstig. Und wir haben den Platz. Ich sehe ein großes Potential, Fürstenfeldbruck als ebenbürtigen Tech-Standort zu positionieren.

Jansen: Vorausgesetzt, Bruck erwacht aus seinem Dornröschenschlaf. In den letzten Jahren wurde es aus meiner Sicht versäumt, langfristig zu planen und sich zielgerichtet zu spezialisieren. Doch nur aus der Spezialisierung entsteht eine gewisse Kraft. Unser Unternehmen ist dafür ein gutes Beispiel. Wir forschen und engagieren uns seit 15 Jahren in der Nuklearmedizin und haben, das darf ich in aller Bescheidenheit sagen, einiges auf den Weg gebracht.

Lohde: Ich sehe die Aufgabe der Politik jetzt vor allem darin, auf solches Engagement von Unternehmen, die in zukunftsträchtige Technologien investieren, zu vertrauen. Und die notwendigen Voraussetzungen zu schaffen. Eine Kommune hat auch die Verantwortung eines Dienstleisters für den Mittelstand. Wir müssen jetzt ins Machen kommen.

Was wäre neben der gesamtgesellschaftlichen medizinischen Versorgung der konkrete Benefit für den Landkreis?

Jansen: Die Schaffung von anfangs 300 bis zu rund 1500 hochwertigen Arbeitsplätzen. Und eine Industrie, die in vernünftige, umweltrelevante, energieneutrale Bauten und Technologien investiert.

Strahlenfrei?

Jansen: Das Biodrom wird sich hinsichtlich der Strahlenbelastung nicht von einer radiologischen Praxis unterscheiden. Ich persönlich begrüße es sehr, dass wir bezüglich Zulassung, Genehmigungsverfahren und Grenzwerten in Deutschland und vor allem in Bayern einen der weltweit höchsten Standards für kerntechnische Anlagen verlangen.

Lohde: Ich glaube, dass wir mit dem Biodrom unsere Standortattraktivität massiv erhöhen würden. Idealerweise auch durch die Schaffung entsprechender Wohnangebote für junge Wissenschaftler und Forschende in Form eines Wohn-Campus, an dem gearbeitet und auch gelebt wird.

Jansen: Das wäre denkbar, wenn die Bundeswehr den Fliegerhorst ganz verlässt und Wohnungen für Studierende, Gastdozenten und junge Familien geschaffen werden können. Wir planen im Moment noch etwas kürzer. Aber wir möchten gleich mit den ersten Bauten einen Kindergarten, eine Cafeteria und fünf Vollzeitpflegeplätze integrieren.

Warum Pflegeplätze?

Jansen: Weil wir dem katastrophalen Fachkräftemangel auch dadurch begegnen wollen, dass wir Frauen ein Stück ihrer Care-Arbeit abnehmen, die sie immer noch zum allergrößten Teil stemmen. Dazu zählt neben der Kinderbetreuung auch die Sorge um pflegebedürftige Angehörige. Ich glaube, wir müssen in der Wirtschaft ganzheitlicher und kooperativer denken. In der Politik natürlich auch.

Lohde: Zum Teil gelingt das schon. Wir haben gerade im Stadtrat beschlossen, einen Vertrag mit Maisach zu schließen, der vorsieht, die Kosten für die Neuentwicklung des Fliegerhorstes je zur Hälfte zu teilen. Das ist ein absolutes Novum. Bisher haben die Kommunen eher um Gewerbe konkurriert. Dieses Denken bringt uns nicht weiter. Für mich ist partnerschaftliche Kooperation der einzige Weg.

Jansen: Vor allem, wenn es um sehr ambitionierte Projekte geht. Ich vermisse auf kommunaler Ebene manchmal den Mut, groß zu denken. Und anderen zuzuhören. Andreas Lohde tut beides ohne ideologische Vorbehalte. Er denkt groß und ist ein guter Zuhörer. Das finde ich gut.

Gesprächsmoderation: Barbara Esser

Infokasten:

Karl-Heinz Jansen

ist Mitbegründer und Geschäftsführer der Firmengruppe Sykam, die seit über 30 Jahren Analysensysteme und chromatographische Produkte herstellt. Der studierte Kernverfahrenstechniker widmet sich seit vielen Jahren der Analytik. Neben Fürstenfeldbruck hält Sykam eine weitere Produktionsstätte in Eresing, Düren und Wollerau (Schweiz).